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Einführung

Die nicht medizinisch begründete Einnahme von Arzneimitteln zur Steigerung der kognitiven Leistung verbreitet sich zunehmend bei Studierenden und bestimmten Gruppen von ArbeitnehmerInnen und wird immer mehr gang und gäbe. Und in einer von zunehmendem Konkurrenzdruck geprägten Gesellschaft und Arbeitswelt ist davon auszugehen, dass der Konsum solcher Arzneimittel künftig weiter wachsen wird, wobei die langfristigen Konsequenzen freilich nach wie vor unbekannt sind.

Was sind leistungsverstärkende Arzneimittel?

„Arzneimittel zur Steigerung der kognitiven Leistung“ sind pharmazeutische Wirkstoffe, die angeblich die geistige Leistungsfähigkeit verbessern, wie z. B. Fokussierung, Konzentrationsfähigkeit, Gedächtnis oder Motivation. Im weiteren Sinne umfassen „leistungsverstärkende Arzneimittel“ auch Substanzen, die den Erwerb motorischer oder affektiver Fähigkeiten verbessern sollen, etwa den Umgang mit Ängsten in Verbindung mit der Erledigung bestimmter Arbeitsaufgaben oder die Förderung des Sicherheits- und Zugehörigkeitsgefühls.

Doch es gibt keine Medikamente, die von den staatlichen Arzneimittelbehörden als „Arzneimittel zur Steigerung der kognitiven Leistung“ an sich verschrieben werden dürfen. Der Begriff „leistungsverstärkende Arzneimittel“ bezieht sich normalerweise auf die zulassungsüberschreitende Anwendung von Medikamenten zum Zweck der Leistungssteigerung durch gesunde Menschen, denen diese gegen bestimmte Beschwerden verschrieben werden (z. B. wird Modafinil normalerweise bei Narkolepsie verschrieben, Methylphenidat bei Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom (ADHS)). Arbeitnehmer und ArbeitnehmerInnen beschaffen sich die Medikamente auf andere Weise, indem sie sie von jemandem kaufen, der ein Rezept dafür hat, oder sie beziehen sie über das Internet.

Die Vermarktung und die Verfügbarkeit dieser Produkte über das Internet haben aber auch die Kultur verändert, in der Medikamente gekauft und verwendet werden: Dies vermittelt ein höheres „Sicherheitsgefühl“ (auch wenn keinerlei Gewähr dafür vorliegt, dass die Medikamente das sind, was sie vorgeben) im Vergleich zu den potenziellen Gefahren und Stigmata des Drogenhandels auf der Straße.

Die wichtigsten üblichen leistungsverstärkenden Arzneimittel

Eine Darstellung der Kategorie der Arzneimittel zur Steigerung der kognitiven Leistung/leistungsverstärkenden Arzneimittel gestaltet sich kompliziert. Mit der Steigerung der kognitiven Leistungsfähigkeit werden jedoch üblicherweise drei Medikamente in Zusammenhang gebracht:

  • Amphetamine – Aufputschmittel zur Behandlung von ADHS oder Narkolepsie. Sie erhöhen den Dopaminspiegel. Adderall (Handelsname) ist eine Mischung aus Amphetaminsalzen. Es kann außerhalb des zugelassenen Indikationsbereichs für die leistungssteigernde Wirkung einer höheren Fokussierung (insbesondere beim Studium) oder mit dem Ziel verwendet werden, den Zustand der Euphorie („Hochgefühl“) hervorzurufen. Zu den weiteren Markenamphetaminen in dieser Kategorie gehören Dexamed (Dexamfetaminsulfat), das in Europa auch unter der Bezeichnung Attentin und Tentin im Handel ist.
  • Methylphenidat – stimuliert das zentrale Nervensystem und wird für die Behandlung von ADHS und Narkolepsie eingesetzt. Es erhöht den Spiegel der Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin. Handelsnamen sind Ritalin, Concerta, Equasym, Medikinet und Rubifen.
  • Modafinil/Armodafinil – ein weiteres Stimulans für das zentrale Nervensystem, das eine anregende, wachmachende Wirkung besitzt. Wie es genau auf das Gehirn wirkt, ist nicht in allen Einzelheiten bekannt, doch weiß man, dass es mit Neurotransmittern wie Dopamin und Noradrenalin interagiert. Zu den Handelsnamen in Europa gehören Provigil, Nuvigil, Vigil, Modalert, Modasomil und Modiodal.

Derzeitige Verwendungshäufigkeit

Es ist schwierig, die Verwendungshäufigkeit von Arzneimitteln zur Steigerung der kognitiven Leistung quantitativ zu messen, insbesondere, weil diese nicht rezeptpflichtig sind und auch über das Internet vertrieben werden. Es liegen jedoch Nachweise dafür vor, dass diese Medikamente von bestimmten Gruppen zur Leistungssteigerung im Zusammenhang mit Beschäftigung und Arbeit eingenommen bzw. missbraucht werden:

Militär: Modafinil wird Kampftruppen, die bei verschiedenen Streitkräften dienen, unter ärztlicher Aufsicht und genau definierten Umständen zur Verfügung gestellt.

Transportarbeitende: Transportarbeitende im Fernverkehr werden mit dem Gebrauch von Stimulanzien (im Wesentlichen Amphetaminen) in Verbindung gebracht, um bei langen Schichten durchzuhalten.

SchichtarbeiterInnen, darunter in Notfalldiensten und im Gesundheitswesen, werden mit dem Gebrauch von leistungsverstärkenden Arzneimitteln in Verbindung gebracht, die anregend und wachmachend wirken und ihnen dabei helfen sollen, Beruf und Familie besser in Einklang zu bringen. In den USA ist das SchichtarbeiterInnen-Syndrom eine diagnostische Kategorie, wobei Modafinil als medizinisch zugelassene Therapie zur Förderung der Aufmerksamkeit anerkannt ist. Bei Vorliegen des SchichtarbeiterInnen-Syndroms konnte es auch in der EU verschrieben werden, bis die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) 2011 Beschränkungen auferlegte.

Andere Gruppen von Beschäftigten in Arbeitskulturen, die durch hohen Druck, Wettbewerbsdenken oder Mobbing geprägt sind, einschließlich City-HändlerInnen, WissenschaftlerInnenund Rechtsanwälte, werden aus den verschiedensten Gründen mit dem Konsum dieser Medikamente assoziiert, z. B. um die Anforderungen ihrer Tätigkeit zu bewältigen, ihre Produktivität zu verbessern oder einen Jetlag zu überwinden.

Es liegen aber auch Nachweise für den Gebrauch von „Studienmedikamenten“ wie Modafinil und Ritalin bei Studierenden vor, die als Hilfe zur Steigerung ihrer Fokussierung, Konzentration und ihrer Gedächtnisleistung beim Lernen eingesetzt werden. Diese Substanzen werden zunehmend nicht nur an Hochschulen, sondern auch an Schulen verwendet. Bei Studierenden, die bereits leistungsverstärkende Arzneimittel verwendet haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie diese auch weiterhin einnehmen, wenn sie nach ihrem Hochschulabschluss ins Berufsleben einsteigen, höher.

Auswirkungen leistungsverstärkender Arzneimittel auf ArbeitnehmerInnen und auf die Arbeit

Arzneimittel, die das kognitive Leistungsvermögen steigern, stimulieren das zentrale Nervensystem. Allgemein gesprochen besitzen sie das Potenzial, ein gewisses Maß an Wachsamkeit zu erzeugen oder die Fähigkeit zu steigern, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren (z. B. verlängerte Aufmerksamkeitsspanne), wobei die Auswirkungen und deren Dauer von der Dosierung und der Dauer der Behandlung/des Konsums abhängen, was jedoch individuell unterschiedlich ist.

Die Ergebnisse einer Reihe von wissenschaftlichen Studien stimmen jedoch in Bezug auf das leistungsverstärkende Potenzial dieser Medikamente bei gesunden Menschen nicht überein, und sie sind auch nicht alle konform, was die Nebenwirkungen bei kurz- und langfristigem Gebrauch angeht, einschließlich ihres Suchtpotenzials. Die kausale Wirkung von Medikamenten wurde bei PatientInnen mit gesundheitlichen Problemen getestet, es gibt allerdings keine Studien mit gesunden Konsumenten.

Der Konsum leistungsverstärkender Arzneimittel erfolgt nicht unbedingt aufgrund einer Verschreibung oder auf ärztlichen Rat hin, und daher werden die Dosierungen auch nicht ärztlich überwacht. Die individuelle Verträglichkeit der Medikamente nimmt mit der Zeit zu und stellt Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen daher vor das Problem, dass sie immer größere Mengen zu sich nehmen müssen, und mit der höheren Dosierung steigen auch das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen und der Suchtfaktor.

Zwar sind leistungsverstärkende Arzneimittel auf eine kognitive Wirkung ausgerichtet, doch besitzen sie zugleich auch eine körperliche und emotionale Wirkung, die nicht außer Acht gelassen werden sollte. Die körperliche Wirkung ist besser bekannt als die kognitive/emotionale. Unerwünschte Nebenwirkungen können sowohl für die Arbeitsorganisation als auch für die betreffenden Arbeitnehmer und ArbeitnehmerInnen ein Risiko darstellen und sind individuell sehr unterschiedlich. Zu diesen Nebenwirkungen gehören:

Amphetamine: erhöhtes Risiko von Herzproblemen, Bluthochdruck und Schlaganfall; Verträglichkeit und Abhängigkeitspotenzial; psychische Gesundheitsprobleme; ein plötzliches Absetzen der Medikamente kann zu Entzugserscheinungen führen.

Methylphenidat: ähnliche Risiken wie bei Amphetaminen, jedoch weniger suchtgefährdend; bei langfristigem Gebrauch nachteiligere Symptome, insbesondere psychotische Störungen bei Kindern.

Modafinil: Hautreaktionen; kardiale Ereignisse, Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen; psychotische Störungen. Das Medikament gilt bei kurzzeitiger Anwendung als wenig suchtgefährdend, allerdings kann bei einer Langzeitanwendung eine Abhängigkeit nicht ausgeschlossen werden.

Hinsichtlich der Wirkung der Medikamente ist zu beachten, dass die Forschung deutlich macht, dass die Leistungsfähigkeit sich zwar bei bestimmten kognitiven Aufgaben verbessert, sich bei anderen Aufgaben jedoch verschlechtern könnte. Hinzu kommt, dass eine Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten bei Entscheidungen in kritischen Situationen problematisch sein könnte. Selbstüberschätzung könnte aber auch im Zusammenhang mit Teamarbeit ein Problem darstellen, denn sie könnte den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit in der Gruppe untergraben.

Die Wirkung leistungsverstärkender Arzneimittel auf Stimmung, Gefühlslage oder Motivation könnte sich auch auf die Leistung bei der Arbeit auswirken, einschließlich auf die Beziehungen zu Anderen und auf die Teamarbeit. Ein Ausgleich zwischen einer gesteigerten Konzentrationsfähigkeit bzw. Fokussierung und einem weniger ausgeprägten Gemeinsinn wäre dann sinnvoll, wenn Einzelpersonen alleine an einer Aufgabe arbeiten, könnte jedoch im Zusammenhang mit Teamarbeit problematisch sein.

Auswirkungen auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit

Die allgemeinen potenziellen Risiken in Verbindung mit dem Einsatz leistungsverstärkender Arzneimittel auf ArbeitnehmerInnen und auf die Arbeit wurden vorstehend beschrieben. Der Gebrauch dieser Medikamente ist jedoch noch mit anderen Problemen im Bereich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit verbunden:

  • Versuche des Managements zur Steigerung der Produktivität könnten in Anbetracht des Machtungleichgewichts, das bei einem Beschäftigungsverhältnis von Natur aus gegeben ist, dazu führen, dass Beschäftigte entweder unmittelbar dazu gezwungen werden oder dass indirekt von ihnen erwartet wird (sozialer Druck und Konformitätszwang), dass sie Medikamente einnehmen, und ebenso wahrscheinlich ist, dass Führungskräfte und Vorgesetzte diese Medikamente auch selbst einnehmen. Damit werden die Entscheidungsfreiheit und der Ermessensspielraum der Beschäftigten drastisch eingeschränkt, was mit Konsequenzen für die Motivation und das Engagement der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen verbunden ist.
  • Der Gebrauch leistungsverstärkender Arzneimittel verschafft manchen Beschäftigten einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber anderen und könnte mit dem Risiko verbunden sein, dass diejenigen, die sich gegen den Konsum solcher Medikamente entscheiden, von ihren ArbeitgeberInnen diskriminiert werden.
  • Beschäftigte, die ihre Leistung durch Medikamente steigern, könnten als die Norm angesehen werden, und es besteht durchaus die Möglichkeit, dass Erwartungen an eine „medikamentöse Normalität“ erzeugt und Unterschiede am Arbeitsplatz (einschließlich Behinderungen und Alter) nicht mehr toleriert werden.
  • Leistungsverstärkende Arzneimittel könnten als eine „Lösung“ für organisatorische oder Managementprobleme in Organisationen gesehen und zu einer Alternative zu Präventionsmaßnahmen und zu angemessenen Vorkehrungen rund um den Arbeitsplatz werden, z. B. Neugestaltung von Arbeitszeitregelungen, angemessene Ruhepausen oder Schulung von Schichtarbeitern im Umgang mit dem Biorhythmus.
  • Manche Beschäftigte nehmen möglicherweise Arzneimittel zur Steigerung ihrer kognitiven Leistung ein, um ihr übliches Leistungsniveau zu halten, während andere sich über ihre „normalen“ Grenzen hinaus zu pushen versuchen. In beiden Fällen geht es um die individuelle Anpassung als eine Möglichkeit, mit den Anforderungen des Arbeitsplatzes besser umgehen zu können, anstatt die Arbeit an den Menschen anzupassen, wie es eigentlich der Fall sein müsste.
  • Die Annahme, dass eine Leistungssteigerung dadurch erzielt werden kann, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen leistungsverstärkende Arzneimittel einnehmen, könnte zu Kulturen führen, in denen es als akzeptabel gilt, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen länger arbeiten, in stärkerem Maße beansprucht werden, in der Lage sind, unter höherem Tempo zu arbeiten usw. Längerfristig hat dies Folgen für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten (z. B. Burnout und vermeidbare Fehler), aber auch für den Ruf des Unternehmens.
  • Derzeit gibt es keine besondere Gruppe von Arzneimitteln, die zur Steigerung der kognitiven Leistung beschafft und eingenommen werden können. Für diese Zwecke werden verschreibungspflichtige, jedoch außerhalb der zugelassenen Indikation verwendete Medikamente, bestimmte illegale Drogen sowie rezeptfreie Nahrungsergänzungsmittel und andere Wirkstoffe konsumiert. Um darauf im Bereich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit zu reagieren, muss dieser Vielfalt sowie der Tatsache, dass keine ärztliche Anleitung vorhanden ist, Rechnung getragen werden.

In Bezug auf den Umgang mit Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit sind Arzneimittel zur Steigerung der kognitiven Leistung ein Problem für die Sozialsysteme/Gesundheitsvorsorge sowie für Medikamentenkonsumkontrollen am Arbeitsplatz. Die vorhandenen Konzepte im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit gehen in der Regel davon aus, dass der Konsum von Medikamenten/Drogen (einschließlich Alkohol) primär eine Angelegenheit außerhalb der Arbeit ist und für den Arbeitsplatz ein Problem darstellt, wobei jede Art von Medikamentengebrauch mit einer schlechten Arbeitsleistung in Verbindung gebracht wird. Leistungsverstärkende Arzneimittel werden jedoch eingenommen, um die Arbeit zu bewältigen oder besser damit umgehen zu können, manchmal mit ausdrücklicher oder stillschweigender Genehmigung oder Billigung des Unternehmens. Wenn also die vorhandenen Regelungen und Verfahren für Medikamente am Arbeitsplatz davon ausgehen, dass Medikamente die Leistung zwangsläufig beeinträchtigen, ist dies keine sinnvolle Grundlage für eine mögliche Politik für Substanzen, mit denen zumindest beabsichtigt ist, die Leistung und die Sicherheit zu verbessern (auch wenn dies in der Praxis nicht bewiesen ist).

Darüber hinaus stellen die traditionellen Konzepte für den Gebrauch von Medikamenten am Arbeitsplatz in der Regel auf den einzelnen Arbeitnehmer/die einzelne Arbeitnehmerin als Konsument bzw. Abhängiger von Medikamenten ab und definieren ihn als ein Problem, das entweder über ein Disziplinarverfahren oder über Fürsorgeprogramme gelöst werden muss. Dies ist ein sehr partieller Ansatz, bei dem das Arbeitsumfeld selbst und die Wechselwirkungen zwischen dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerinund seinen/ihren Arbeitsbedingungen völlig ausgeklammert werden. Mit Fürsorgeprogrammen und Programmen für das Wohlbefinden, die ausschließlich auf den einzelnen Arbeitnehmer/die einzelne Arbeitnehmerin abstellen, kann nicht angemessen mit dem Thema des Gebrauchs von Arzneimitteln zur Steigerung der kognitiven Leistung am Arbeitsplatz umgegangen werden.

In den vorliegenden Untersuchungen zum Medikamentenmissbrauch am Arbeitsplatz wird ein Zusammenhang zwischen individuellen Verhaltensweisen und Beschäftigungsmerkmalen hergestellt. Bei einem präventiv ausgerichteten Konzept für diese Problematik im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit sollten die Arbeitsbedingungen aufgezeigt und entsprechend angepasst werden, die Arbeitnehmer dazu veranlassen, Arzneimittel zur Steigerung der kognitiven Leistung zu nehmen, wie etwa lange Schichtzeiten, hohe Leistungsanforderungen oder Druck zur Steigerung der Produktivität.

Eine weitere Frage, die sich ArbeitgeberInnen stellen sollten, lautet, wie und ob festgestellt werden kann, dass Beschäftigte leistungsverstärkende Arzneimittel einnehmen, um ihre Arbeit zu bewältigen.

Im Zusammenhang mit der Gesundheitsüberwachung könnte es auch ein Problem mit Dunkelziffern geben, da Arbeitende möglicherweise nicht mit dem Konsum von leistungsverstärkenden Arzneimitteln in Verbindung gebracht werden wollen oder diese Substanzen nicht als „Arzneimittel“ ansehen.

In Bezug auf die Medikamentenkonsumkontrolle ist dies problematisch und kontrovers. Die Einstellungen gegenüber Medikamentenkonsumkontrollen bei der Arbeit und die damit verbundenen Vorgehensweisen sind von Land zu Land unterschiedlich. Einschlägige Rechtsvorschriften hierzu gibt es nur in Irland, Finnland und Norwegen. In anderen Ländern muss zwischen den heiklen Fragen der persönlichen Freiheit einerseits und der Fürsorgepflicht und einer sicheren Arbeitsumgebung andererseits ein Mittelweg gefunden werden, was die Vorgehensweise anbetrifft; und es muss eine Abwägung zwischen der Einwilligung des Beschäftigten und dem Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre stattfinden. Alles in allem wird bei den in Europa verfolgten Ansätzen in der Regel eher versucht, die Kultur der stichprobenartigen Prüfung von ArbeitnehmerInnen, wie sie in den USA vorherrscht, zu vermeiden und vielmehr Berufe, die als „sicherheitskritisch“ gelten, sowie die Gesundheit und das Wohlbefinden einzelner Beschäftigter pragmatisch anzugehen. Mit den vorhandenen Tests wird nicht gemessen, in welchen Mengen die Medikamente im Körper einer Einzelperson vorhanden sind, sondern, in welche Enzyme die Medikamente verstoffwechselt werden. Damit kann bei Medikamentenkonsumkontrollen nicht auf eine Beeinträchtigung oder Vergiftung zum Zeitpunkt der Kontrolle getestet werden. Es besteht zudem ein erhebliches Problem mit falsch-positiven Ergebnissen.

Alle genannten Faktoren legen den Schluss nahe, dass die Diskussion über europaweite stichprobenartige Medikamentenkonsumkontrollen am Arbeitsplatz zum Umgang mit der zunehmenden Einnahme leistungsverstärkender Arzneimittel für sich genommen unangemessen wäre, um die Probleme der Sicherheit und Gesundheit und andere Beschäftigungsprobleme in Verbindung mit dem Gebrauch dieser Medikamente bei der Arbeit anzugehen.

Abschließende Bemerkungen

Die Auswirkungen leistungsverstärkender Arzneimittel auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit und andere betriebliche Angelegenheiten sind komplex. Dies ist ein Bereich, der sich ständig weiterentwickelt, was dynamische Veränderungen für die Zukunft vermuten lässt.

Die künftigen Veränderungen werden von bestimmten wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Entwicklungen abhängen, einschließlich der im Folgenden genannten Entwicklungen:

  1. Sowohl die Pharmaindustrie als auch bestimmte gesellschaftliche Gruppen haben möglicherweise ein Interesse an der Entwicklung spezifischer Arzneimittel für die (kognitive) Leistungssteigerung. Neue Medikamente und neue Verwendungszwecke für bestehende Medikamente werden laufend entwickelt und getestet.
  2. Auch wenn die Verschreibung derzeit auf den medizinisch-therapeutischen Bereich beschränkt ist, würde entweder eine geänderte Einstellung gegenüber der Verschreibung zum Zweck der Leistungssteigerung bei Menschen oder die Entwicklung von Arzneimitteln zur Steigerung der kognitiven Leistung, die als sicher anerkannt sind und daher rezeptfrei zum Zweck der Leistungsverbesserung verkauft werden dürfen, die Verfügbarkeit solcher Medikamente und die Akzeptanz einer Leistungssteigerung mittels Medikamenten erheblich erhöhen.
  3. Beschäftigungsverhältnisse, die zu hohem Druck, hart umkämpften Arbeitsplätzen, starkem Stress und einem hohen Maß an Fremdbestimmung des Beschäftigten führen, dürften den empfundenen Bedarf und den Gebrauch von leistungsverstärkenden Arzneimitteln noch erhöhen.

Es sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die potenziellen Auswirkungen leistungsverstärkender Arzneimittel am Arbeitsplatz besser zu verstehen. Der Umfang der Literatur, die weiterhin zu diesem Thema produziert wird, ist gewaltig, und die unterschiedlichen Standpunkte geben Aufschluss über das breite Spektrum interessierter Akteure, darunter u. a. NeurowissenschaftlerInnen, EthikerInnen, Massenmedien, BiohackerInnen und Berufsverbände. Somit besteht ein wachsender Bedarf an einem Dialog und an der Erarbeitung von Strategien und Praktiken im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz, die sich speziell mit diesem Bereich befassen.

Dieses Diskussionspapier geht auf die Zusammenfassung eines längeren Artikels zurück, der von der EU-OSHA bei Dr. Kalen Dale und Prof. Brian Bloomfield in Auftrag gegeben wurde und inkludiert Rückmeldungen von Teilnehmern des Netzwerks nationaler Focal Points der Agenturanlässlich eines Seminars am 11. Juni 2015 in Bilbao.